Spielsucht als Ausrede im Betrugsverfahren?

Recht Gesetz

In der Schweiz sorgt derzeit ein Kriminalfall für Aufsehen, in dem die Spielsucht der Angeklagten eine entscheidende Rolle spielen wird. Richtiger müsste es heißen, die vermeintliche Spielsucht.

Die Verteidiger der Frau setzen alles daran, die Taten ihrer Klientin mit dem Glücksspiel in Verbindung zu bringen, um für eine milde Strafe zu sorgen. Die Staatsanwaltschaft glaubt, dass es sich hierbei nur um eine Schutzbehauptung handelt.

Jahrelanges „falsches Spiel“ führt zu Mega-Schaden

Die Angeklagte hat als Sekretärin in einem großen Schweizer Bau-Unternehmen gearbeitet und dort wohl über 15 Jahre lang Betrug begangen. Insgesamt soll die Dame 920.000 CHF abgezweigt haben. Die Frau hat ihrem Chef Monat für Monat Rechnungen in abgewandelter Form zwei Mal vorgelegt.

Auf der gefälschten Rechnung hat sie im Anschluss die Bankdaten geändert und sich das Geld selbst überwiesen. Des Weiteren hat die Angeklagte mehrere Mitarbeiter nicht an die Pensionskasse gemeldet, die Beiträge aber vom Lohn einbehalten und sich selbst in die Tasche gesteckt. Aus einer Bar-Kasse hat sich darüber hinaus noch 16.000 CHF abgezweigt.

2018 Flucht ins Ausland

Nachdem die Betrügereien 2018 aufgeflogen waren, hat sich die Frau mit ihrem Mann ins Ausland abgesetzt. Genau in diesem Moment stand die Schweizer Staatsanwaltschaft vor einem Problem. Obwohl die Frau in der Schweiz geboren wurde, hat sie die Staatsbürgerschaft nie angenommen.

Welche Nationalität die Angeklagte hat, wird aus Gründen der Persönlichkeitsrechte von den Behörden offiziell nicht genannt. Mittlerweile ist die Dame aber zurück in der Schweiz. Die Gerichtverhandlung könnte durchgeführt werden. Die Verteidigung will das Verfahren mit dem Glücksspiel-Trick aber verhindern.

Das volle Suchtprogramm als Ausrede

Die Beschuldigte hat ihre kompletten Tagen eingeräumt. In ihrer Begründung ist jedoch ein Portfolio von Suchterkrankungen. Angeblich sei die Frau bereits seit 2005 spielsüchtig. Sie habe regelmäßig Spielbanken aufgesucht und dort auf den großen Gewinn gehofft, um ihre Schulden zu bezahlen. Da das Geld für die Einsätze irgendwann nicht mehr vorhanden war, hat sie den eigenen Arbeitgeber betrogen. Die Spielsucht sei angeblich mit einer Kauf- und einer Esssucht verbunden gewesen.

Heute hat die Beschuldigte zudem eine psychische Belastungsstörung. Sie komme mit ihren Taten selbst nicht zurecht. Sie leide unter stetiger Unruhe sowie schlaflosen Nächten.

Die Verteidiger haben eine psychiatrischen Begutachtung beantragt, um dem Ursprung der Spielsucht auf den Grund zu gehen. Im „besten Fall“ könnte die Angeklagte vermindert oder überhaupt nicht schuldfähig sein.

Die Staatsanwaltschaft hält dagegen

Die Staatsanwaltschaft kann das Vorgehen der Verteidiger verstehen, äußert in der eigenen Stellungnahme aber große Zweifel. Der Erstellung des Gutachtens wurde aber nicht widersprochen. In der NZZ war dazu folgendes zu lesen:

„Der Staatsanwalt kritisiert, dass der Beweisantrag erst jetzt überraschend gestellt werde, nachdem das Verfahren schon seit einem Jahr hängig sei. Es handle sich offenbar um eine taktische Obstruktion, um die Hauptverhandlung zu torpedieren. Der Ankläger hegt den Verdacht, die Frau schiebe eine Spielsucht nur vor. Die Straftaten hätten 2003 zu einem Zeitpunkt begonnen, der vor dem Beginn ihrer angeblichen Spielsucht liege.“

Widersprüchlich sei zudem die gleichzeitige Kauf- und Spielsucht. Die Angeklagte habe in all den Jahren nie den Weg der Therapie gewählt.

Der zuständige Richter hat der Begutachtung der Beschuldigten aber zugestimmt. Ob das Ergebnis letztlich für oder gegen die Betrügerin spricht, bleibt abzuwarten.

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